Einige Gedanken über die Zukunft der Eurasischen Wirtschaftsunion
von Olivia Kroth
Am 8. Mai 2015 wurde die in Zentralasien gelegene Kirgisische Republik in Moskau einen Tag vor der 70. Feier zum Sieg im Grossen Vaterländischen Krieg (1941-1945) in die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) aufgenommen, die bereits vier andere Mitglieder hat: Armenien, Kasachstan, Russland und Weissrussland. Die Präsidenten dieser Länder unterschrieben die Dokumente zur Aufnahme von Kirgisien im Beisein des kirgisischen Präsidenten im Moskauer Kreml. Herzlichen Glückwunsch! Am 20. Mai 2015 wurde das Gesetz zum Beitritt Kirgisiens in die EAWU vom kirgisischen Parlament ratifiziert. Am 21. Mai 2015 unterschrieb der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew das Gesetz. Es wird in Kraft treten, sobald auch die Parlamente der übrigen Mitgliedsstaaten es ratifiziert haben. Dann kann die Republik Kirgisien ihre Grenzen für sie öffnen (TASS, 21.05.2015). Die Zeit ist reif für einige Gedanken über die Zukunft der Union. Konsolidierung und Kooperation mit anderen internationalen Vereinigungen wie BRICS und Mercosur werden richtungweisend sein. Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) als aufstrebende Vereinigung im eurasischen Raum könnte zudem in einigen Jahrzehnten das Vakuum füllen, welches die bröckelnde und kranke Europäische Union (EU) hinterlassen wird.
Am 8. Mai 2015 unterzeichneten in Moskau die Staatschefs der Mitgliedsstaaten der EAWU die Vereinbarung zum Beitritt von Kirgisien in Anwesenheit des kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew. Sersch Sargsian unterschrieb für Armenien, Nursultan Nasarbajew für Kasachstan, Alexander Lukaschenko für Weissrussland, Wladimir Putin für Russland.
Von den Staatschefs der Mitgliedsstaaten in der Eurasischen Wirtschaftsunion kamen verschiedene Vorschläge für erweiterte Kooperation. So schlug Armeniens Präsident Sersch Sargsian vor, «die Geografie der Kooperation nach Süden hin zu erweitern, insbesondere zum Iran». Er sah auch «besonderes Potential in der Einrichtung von Beziehungen zu BRICS-Ländern, wobei Russland eine Hauptrolle spielt». Als drittes Land nannte Sersch Sargsian China als «EAWU Handelspartner mit grossem Potential». In diesem Punkt stimmte er mit Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew überein, der ebenfalls die Meinung äusserte, China sei ein wichtiger Handelspartner für die Länder in der Eurasischen Wirtschaftsunion. Ausserdem meinte er, in Betracht zu ziehen seien überdies der Iran, Indien, die Mongolei und Aserbeidschan. Vietnam ist gleichfalls an verstärkter Kooperation mit der EAWU interessiert (TASS, 08.05.2015). So zieht die EAWU immer mehr Länder des asiatischen Raums in ihren Bann. China und India haben bereits im Rahmen der Vereinigung BRICS ihre wirtschaftliche Kooperation mit der Russischen Föderation innerhalb der letzten Jahre stark intensiviert.
China und Russland beteiligen sich gemeinsam am Bau der «Chinesischen Seidenstrasse». Diese alte Handelsroute verband den Mittelmeerraum mit Ostasien. Auf ihr gelangten vom ersten bis dreizehnten Jahrhundert Forscher und Gelehrte, Kaufleute und Soldaten auf dem Landweg von Osten nach Westen und von Westen nach Osten. Die Seidenstrasse soll erneut als Energie-, Transport- und Handelsroute zwischen Asien und Europa aktiviert werden. In Moskau sprach Russlands Präsident Wladimir Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping am 8. Mai 2015 über die Kooperation der EAWU in dem Projekt der Seidenstrasse. Zu diesem Anlass wurde eine gemeinsame Vereinbarung unterzeichnet.
Die alte Seidenstrasse vom Mittelmeer bis China:
Die Aufnahme neuer Mitglieder wie Kirgisien in der Eurasischen Union zeigt, dass diese sich in einem dynamischen Prozess befindet, der erst am Anfang steht und noch lange nicht abgeschlossen ist. Wer wird die nächsten Aufnahmeanträge stellen, Aserbeidschan oder der Iran, die Mongolei oder Vietnam? Erweiterungspolitik bedeutet stets auch strategische Interessenpolitik. Deshalb ist es wichtig, den Kern der Union durch politische, wirtschaftliche, soziale und später eventuell auch militärische Integration zu festigen. Alle Mitglieder sollten gleich Rechte besitzen und einander gleichwertig behandeln. Die EAWU befindet sich im Aufschwung.
Wir können nicht in die Zukunft blicken, aber die bisherige Entwicklung zeigt die Richtung an. Möglicherweise wird die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) in zehn bis fünfzehn Jahren die Europäische Union (EU) machtpolitisch und wirtschaftlich überflügeln, vielleicht sogar ablösen. Denn die EU sieht zurzeit aus wie ein baufälliges, marodes Gebäude, wo es hinten und vorne an Geld für Reparaturen fehlt. Die EU erscheint unvoreingenommenen Beobachtern als ein morscher Koloss auf wackligen Füssen, der auf künstliche Weise gewaltsam aufrecht erhalten wird. Die meisten Staaten der EU kranken an hohen Staatsschulden. Sie stehen am Rand des finanziellen Abgrunds, auch wenn dies von der Westpresse sorgsam vertuscht wird. Vor allem fehlt es den Mitgliedsländern der EU an eigenen Ressourcen wie Erdöl und Naturgas, das auf dem riesigen Territorium der Eurasischen Wirtschaftsunion in Hülle und Fülle vorhanden ist. Mit dem in westlichen Medien gerne zitierten «Vorsprung in Technologie» ist es nicht mehr so weit her in der EU. Aus China kommen ebenfalls neue technologische Trends. Sie sind oft sogar kostengünstiger als das, was die EU zu bieten hat.
Die EU ist dabei, an inneren Differenzen und Konflikten zu zerbrechen, in erster Linie an dem Verteilungskampf zwischen armen und reichen Mitgliedsstaaten sowie ihrem Nord-Süd-Gefälle. Vor ähnlichen Komplikationen muss sich die aufstrebende EAWU hüten. Schon im Vorfeld sollten solche Ungleichheiten abgefedert werden. Das Scheitern Europas ist nur noch eine Frage der Zeit. Wird der Trümmerhaufen EU sich in einer Dekade oder auch zwei zeigen? Die Eurasische Wirtschaftsunion kann das entstehende Vakuum nutzen, um sich als neuer Machtblock im eurasischen Raum zu positionieren. Vor allem ist von Anfang an die Solidarität der Mitgliedsländer zu fördern. Gemeinsam können die Staaten der EAWU ihre Interessen besser vertreten als in nationaler Eigenregie. Die innere Krise der EU kann als warnendes Beispiel dienen, wie eine Union an mangelnder Solidarität ihrer Mitglieder zugrunde geht. Vor allem muss die EAWU sich davor hüten, solche technokratischen, bürokratischen Institutionen zu bilden wie die «EU-Kommission» in Brüssel. Sie leistet wenig Sinnvolles, entscheidet über die Köpfe der europäischen Bürger hinweg und wird deshalb in Europa gefürchtet.
Die Eurozone versinkt in Schulden:
«In der Europäischen Union nimmt der Optimismus ab», titelte DIE STIMME RUSSLANDS bereits am 26.09.2014: «Die europäische Wirtschaft fährt fort auf der Stelle zu treten. Der vom Ifo-Institut in München errechnete Geschäftsklimaindex ist endgültig in den freien Fall übergegangen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nennt als einen der wichtigsten negativen Faktoren das sich verstärkende ökonomische Ungleichgewicht in Europa.» Möge dieser Trend der Eurasischen Wirtschaftsunion erspart bleiben. Die EAWU bietet gerade den kleinen, wirtschaftlich weniger starken Mitgliedern eine faire Chance, mit Hilfe der reicheren Nachbarn von deren wirtschaftlicher Stärke zu profitieren. Möge der Beginn unter einem guten Stern stehen und das Jahr 2015 der Auftakt zu einer Reihe weiterer erfolgreicher Jahre für die Eurasische Wirtschaftsunion werden.
Olivia Kroth: Die Journalistin und Autorin von vier Büchern lebt in Moskau.
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